FAQ – Masernschutzgesetz

Aus der
Handreichung zur Impf- bzw. Nachweispflicht nach dem Masernschutzgesetz
Häufige Fragen und Antworten für Kindergärten und Schulen
(Gemeinschaftseinrichtungen gem. § 33 IfSG)

Erstellt von den Rechtsanwälten Keller & Kollegen, Stuttgart

Aktualisierte Auflage – Stand: 26.05.2023

Allgemeines

Was sind die wesentlichen Inhalte des Gesetzes?

Gemäß der Einleitung des Gesetzentwurfes ist Ziel des Masernschutzgesetzes, einen besseren individuellen Schutz insbesondere von nicht geschützten Personengruppen sowie einen ausreichenden Gemeinschaftsschutz vor Maserninfektionen zu erreichen.
Die Gesetzesbegründung spricht ausdrücklich von einer Impfpflicht für bestimmte Bevölkerungsgruppen.

Das Gesetz sieht zwar keine direkten Zwangsimpfungen vor, aber
– umfangreiche Nachweispflichten betreffend den Impfschutz bzw. Immunität gegen Masern oder medizinische Kontraindikationen
– Aufnahme-, Betreuungs- und Tätigkeitsverbote für bestimmte Einrichtungen und Personengruppen,
– Benachrichtigungspflichten der Gemeinschaftseinrichtungen gegenüber dem Gesundheitsamt
– sowie als Sanktionsmittel entsprechende Bußgeld-Tatbestände und mit Zwangsgeld verfolgbare Pflichten zur Vorlage von Nachweisen gegenüber dem Gesundheitsamt.

Das sog. „Masernschutzgesetz“ sieht entsprechende Ergänzungen im bestehenden Infektionsschutzgesetz (IfSG) vor.
Das Gesetz wurde am 13.02.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das Gesetz ist zum 01.03.2020 in Kraft getreten.
Es galt zunächst für Neuaufnahmen ab dem 01.03.2020. Kinder, die am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen betreut wurden, hatten der Leitung der jeweiligen Einrichtung die vorgeschriebenen Nachweise (näheres dazu unten) bis zum Ablauf des 31. Juli 2021 vorzulegen. Diese Übergangsfrist war dann vom Gesetzgeber mehrfach verlängert worden, zuletzt bis zum 31.07.2022.

Aufnahme und Betreuung von Kindern und Jugendlichen

Für welche Gemeinschaftseinrichtungen gelten die Vorschriften des Masernschutzgesetzes?

Der Begriff der „Gemeinschaftseinrichtungen“ im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurde im Zuge des Masernschutzgesetzes neu geregelt.
Gemeinschaftseinrichtungen sind demnach Einrichtungen, in denen überwiegend minderjährige Personen betreut werden. Das Gesetz zählt in der Neufassung des § 33 IfSG beispielhaft auf: Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte, Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen sowie Heime. Soweit Berufsschulen überwiegend von Volljährigen besucht werden, fallen diese Berufsschulen nicht unter das Masernschutzgesetz. Auch die Kindertagespflege wird vom Gesetz als „Gemeinschaftseinrichtung“ i.S.d. IfSG definiert, soweit sie nach § 43 SGB VIII erlaubnispflichtig ist. Nicht unter die Regelungen zur Impfpflicht fallen z.B. Ferienlager, Musikschulen und Sportvereine. Wohngruppen, Begegnungsstätten und Freizeiteinrichtungen, bei denen eine Ausbildung nicht im Vordergrund steht, sind ebenfalls keine Ausbildungseinrichtungen im Sinne des Gesetzes.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Kindergärten) aufgenommen bzw. betreut werden?

Es dürfen nur Kinder aufgenommen und betreut werden, die entweder einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder eine ärztliche Bescheinigung über die Immunität gegen Masern (auf Basis eines Titernachweises oder über das Durchmachen der Masern) oder eine ärztliche Be-scheinigung über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation nachweisen. Sämtliche dieser Pflichten/Regelungen gelten nicht für Kinder im Alter unter einem Jahr.
Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern ist laut Gesetz vorhanden, wenn ab der Vollendung des 1. Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des 2. Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden . Ausdrücklich stellt das Gesetz klar, dass diese Verpflichtungen auch dann gelten, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten . Das ist der Fall, weil es in Deutschland zur Zeit keinen zugelassenen Monoimpfstoff gegen Masern, sondern nur Kombinationsimpfstoffe MMR = Masern/ Mumps/ Röteln bzw. MMRV (einschließlich Varizellen = Windpocken) gibt.

Es ist der Gemeinschaftseinrichtung also alternativ einer der folgende Nachweise vorzulegen:
– eine Impfdokumentation (Impfausweis oder Impfbescheinigung) oder ein ärztliches Zeugnis, darüber, dass bei dem Kind ein ausreichender Impfschutz gegen Masern im Sinne des Gesetzes besteht
– ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei dem Kind eine Immunität gegen Masern vorliegt
– ein ärztliches Zeugnis darüber, dass es aufgrund einer medizinischen Kontraindikation (zur Zeit oder auf Dauer) nicht geimpft werden kann
– eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen Einrichtung darüber, dass ein Nachweis nach Nummer 1 oder 2 oder 3 bereits vorgelegen hat.

Ohne einen entsprechenden Nachweis dürfen Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres ab dem Inkrafttreten des Gesetzes (01.03.2020) nicht mehr aufgenommen werden . Eine Regelungslücke enthält das Gesetz bezüglich der Kinder, die im Alter unter einem Jahr zulässig aufgenommen wurden. Hier ist unklar, wer für die Prüfung der Vervollständigung des Impfschutzes zuständig ist. Eine gesetzliche Regelung, die diese nachgelagerte Nachweisprüfung den Gemeinschaftseinrichtungen überträgt, existiert nicht. Das Masernschutzgesetz regelt nur die Nachweisprüfung bei Aufnahme in die Betreuung. Ein automatisches gesetzliches Betreuungsverbot bei Nicht-Vorliegen des Masernschutzes mit Erreichen der Altersgrenzen ist ebenfalls nicht geregelt. Somit obliegt diese Überwachung allein den Gesundheitsämtern. Diese können entsprechende Betreuungs- und Betretungsverbote verhängen.
Kinder, die am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen betreut wurden, hatten die vorgeschriebenen Nachweise der Einrichtung zunächst bis zum Ablauf des 31. Juli 2021 vorzulegen. Diese Übergangsfrist wurde dann mehrfach bis zum 31.07.2022 verlängert.

Welchen Inhalt muss ein ärztliches Zeugins über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation aufweisen?

Das Masernschutzgesetz enthält keine Regelung, ob und ggf. wie das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation begründet werden müsste. Das Gesetz spricht lediglich von einem ärztlichen Zeugnis, wonach aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann (vgl. § 20 Abs. 9 S. 1 Ziff. 3 IfSG). Gründe des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht sprechen dafür, dass das vom Gesetz vorgeschriebene ärztliche Zeugnis über das Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation keine Diagnosen oder sonstigen medizinischen Angaben enthalten darf. Auch die Vordrucke der Behörden der Bundesländer sehen aus diesen Gründen schlicht ein Ankreuzfeld für den Arzt ohne weitere erläuternde Angaben vor, z.B. die Mustervorlage „Ärztliche Bescheinigung – Nachweis gemäß § 20 Absatz 9 Infektionsschutzgesetz (IfSG) des Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Stand: 21.01.2020
https://web.archive.org/web/20201122220202/https://www.nlga.niedersachsen.de/download/151767/Mustervorlage_Aerztliche_Bescheinigung.pdf

Forderungen mancher Gemeinschaftseinrichtungen und Gesundheitsämter, dass das ärztliche Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation gegen eine Masern- oder gegen eine MMR-Kombinationsimpfung eine „qualifizierte Diagnose“ aufweisen müsse, ergeben sich deshalb nicht direkt aus dem Gesetz.
Allerdings haben einige Gerichte in der Zwischenzeit geurteilt, dass ein ärztliches Zeugnis zumidest solche Angaben enthalten müsse, dass die Gesundheitsämter dieses auf Plausibilität überprüfen können.
Wörtlich führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 7. Juli 2021 (Az. 25 CS 21.1651) aus:
„Das ärztliche Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG darf sich nicht damit begnügen, den Gesetzeswortlaut zum Bestehen einer medizinischen Kontraindikation zu wiederholen. Es muss vielmehr wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen (SächsOVG, B.v. 5.5.2021 – 3 B 411/20 – juris Rn. 21 ff.; VG Meiningen, B.v. 10.11.2020 – 2 E 1144/20 – juris Rn. 26 f.; Gebhard in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 50; a.A. ohne Begründung Aligbe, ARP 2020, 227, 228). Hierfür sprechen neben dem Zweck der Regelung, eine ausreichend hohe Impfquote zu erreichen und hierfür u.a. dem Gesundheitsamt eine Grundlage für das weitere Vorgehen (z.B. in einem Beratungsgespräch nach § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG) zu geben, auch systematische Erwägungen, denn das IfSG unterscheidet auch an anderer Stelle die schlichte Bescheinigung vom Nachweis durch ein ärztliches Zeugnis (vgl. etwa § 43 Abs. 1 Satz 2 IfSG). Die Entstehungsge-schichte der Norm bestätigt diese Annahme…“
Ähnlich haben das Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 20. Oktober 2021 – 3 EO 805/20 und das Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 28. Mai 2021 – AN 18 S 21.00932 –, juris geurteilt.
Hier besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Sichtweise mancher Gerichte, den Gesundheitsämtern eine Überprüfung solcher ärztlichen Bescheinigungen zu ermöglichen, und der engeren Sichtweise des Datenschutzes.

Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat im 321. Newsletter (25.02.2020) bereits verlautbart und hierauf auch in jüngeren Newslettern immer noch hingewiesen und die dort verlinkten Vorlagen und Dokumentationshilfen in Bezug genommen – seine Aussage demnach bis heute soweit ersichtlich nicht geändert – :
„Ein ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation muss lediglich Angaben zur zeitlichen Dauer enthalten (Feststellung, dass die betreffende Person aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann).“

Darf die Gemeinschaftseinrichtung den vorgelegten Nachweis (z. B. das ärztliche Zeugnis) zu den Unterlagen nehmen oder kopieren?

Die oben genannten Nachweise sind der Leitung der Gemeinschaftseinrichtung lediglich „vorzulegen“ (§ 20 Abs. 9 S. 1 IfSG).
Aus Gründen des Datenschutzes sind diese Nachweise nicht selbst in der Kinder- oder Schülerakte aufzubewahren. Im Regelfall besteht auch nicht die Erforderlichkeit der Anfertigung einer Kopie. Die Leitung der Gemeinschaftseinrichtung dokumentiert lediglich in der Akte, dass ein entsprechender Nachweis vorgelegt wurde. So sehen es ausdrücklich auch die Verwaltungsrichtlinien mehrerer Bundesländer und die Hinweise von Datenschutzbehörden vor.

In der Verwaltungsinformation „Informationen und Empfehlungen zur Umsetzung des Masernschutzgesetzes“ des Freistaates Bayern z.B. heißt es:
„Die für den Nachweis bei der Schule vorgelegten Dokumente (z.B. Impfausweis) sind nur zur Prüfung der Voraussetzungen notwendig und werden nach Abschluss dieser nicht gespeichert.“
https://www.km.bayern.de/download/22726_Informationen-und-Empfehlungen-Umsetzung-Masernschutzgesetz.pdf

Und im 418. Newsletter des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales heißt es:
„Bescheinigungen dürfen aus Datenschutzgründen weder als Kopie noch als Original in der Einrichtung verbleiben.
Es sollten in keinem Falle Kopien von Impfausweisen oder ärztlichen Bescheinigungen zur Kontraindikation der Impfung angefertigt oder die Nachweise im Original behalten werden – weder für die Dokumentation im Kinderakt Ihrer Einrichtung, noch für das Gesundheitsamt. Eine Ausnahme hiervon ist nur möglich, wenn die Betroffenen einwilligen.“

Auf der anderen Seite wird man der Einrichtung ggf. eine notwendige Bearbeitungszeit einräumen müssen, den Vorgang zu bearbeiten und die vorgelegten Unterlagen zu sichten und ggf. näher zu prüfen, um sie dann wieder zurückzugeben.

Ferner stellt das Bayerische Staatsministerium klar:
„Neben den in § 20 Abs. 9 IfSG vorgesehenen Meldungen, ist die Anfertigung von pauschalen Listen mit den personenbezogenen Angaben der Kinder, welche eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen einer vorübergehenden oder dauerhaften Kontraindikation vorgelegt haben, nicht zulässig. Eine Übermittlung solcher Listen an Gesundheitsämter hat zu unterbleiben.“

Wann liegt ein Wechsel in eine neue Gemeinschaftseinrichtung vor?

Bei unterschiedlichen Betreuungsformen unter einem Dach (Spielgruppe, Krippengruppe, Kindergarten, Hort) kann im Einzelfall unklar sein, ob ein Wechsel der “Gemeinschaftseinrichtung” vorliegt oder ob das Kind nur innerhalb einer Einrichtung die Betreuungsform wechselt. In ersterem Fall greift nämlich die Regelung der Nachweispflicht bei (jeweiligem) “Beginn der Betreuung”. Es kommt also darauf an, ob das Kind in eine andere „Einrichtung“ wechselt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Kind zu einem neuen Rechtsträger wechselt. Ein neuer Vertrag mit einem neuen Rechtsträger ist da eindeutig eine Neuaufnahme in eine neue Einrichtung.
Hier dürfte es auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände ankommen: gemeinsamer einheitlicher Name der Einrichtung mit unterschiedlichen Betreuungsangeboten? Oder mehrere Einrichtungen mit unterschiedlichen Namen? Neues Aufnahme- und Auswahlverfahren oder automatischer Übergang der Kinder in eine neue Betreuungsstufe? Sind die Mitarbeiter der neuen Betreuungsform bei demselben Träger angestellt? Ob ein bestimmter Teil einer Einrichtung zur Einrichtung zu zählen ist, wird entscheidend davon abhängen, ob diese Organisationseinheit so in die genannten Einrichtungen integriert ist, dass sie räumlich und organisatorisch (z.B. rechtlich unselbständig) als Teil der Einrichtung und nicht als selbständige Einrichtung anzusehen ist.

Das Verwaltungsgericht Kassel hat entschieden, dass der Wechsel eines Kindes von der Kinderkrippe in den Kindergarten die Nachweispflicht gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG, § 33 IfSG i.V.m. § 25 HKJGB auslöst (VG Kassel, Beschluss vom 12. August 2020 – 3 L 1302/20.KS –, juris):
„Für die Qualifizierung der in § 33 IfSG benannten Einrichtungen ist das Landesrecht maßgeblich (vgl. auch Rixen, NJW 2020, 647). Nach § 25 Abs. 1 Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB) sind Tageseinrichtungen für Kinder Einrichtungen der Jugendhilfe zur Förderung von Kindern durch Bildung, Erziehung und Betreuung (Tageseinrichtungen). Nach § 25 Abs. 2 HKJGB sind – entsprechend den in § 24 Abs. 2 SGB VIII und § 24 Abs. 3 SGB VIII unterschiedlich ausgestalteten Rechtsansprüchen – Tageseinrichtungen insbesondere u.a. Kinderkrippen für Kinder bis zum vollen-deten dritten Lebensjahr (Nr. 1) und Kindergärten für Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt (Nr. 2). Nach § 25 Abs. 3 HKJGB können Tageseinrichtungen von öffentlichen, freigemeinnützigen oder sonstigen geeigneten Trägern betrieben werden. Das Gesetz geht bei Kinderkrippen und Kindergärten somit von verschiedenen Einrichtungen aus, die auch von unterschiedli-chen Trägern betrieben werden können. Ein Kind, dass aus der Kinderkrippe in einen Kindergarten wechselt, wechselt mithin die Einrichtung. Es handelt sich im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG i.V.m. § 33 Nr. 1 IfSG, § 25 HKJGB um ein Kind, dass in einer Gemeinschaftsreinrichtung betreut werden soll und für das die Nachweispflicht gilt.“
Diese Entscheidung des VG Kassel wurde bestätigt durch Beschluss des Hessischen VGH vom 22.12.2020 – Az. 8 B 2120/20.

Welche Prüfpflichten treffen die Gemeinschaftseinrichtungen in Bezug auf den Impf- bzw. Immunstatus der zu betreuenden Kinder?

Die Gemeinschaftseinrichtungen müssen (nur) bei Aufnahme neuer Kinder prüfen, ob bei den Kindern, die älter als ein Jahr sind, ein Impfschutz im Sinne der gesetzlichen Vorgaben besteht oder eine Immunität vorliegt. (vgl. oben unter B. 2.). Ohne einen entsprechenden Nachweis dürfen diese Kinder nicht mehr aufgenommen werden (Ausnahme bei Aufnahme in Schulen im Rahmen der Schulpflicht).
Das Masernschutzgesetz ermächtigt die oberste Landesgesundheitsbehörde (oder eine von ihr bestimmte Stelle) zu bestimmen, dass diese Nachweise nicht der Leitung der Gemeinschaftseinrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen sind. Es ist nicht bekannt, dass Bundesländer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten.
Das Masernschutzgesetz beschränkt die Gemeinschaftseinrichtungen darauf, sich die erforderlichen Nachweise vorlegen zu lassen und das Vorhandensein des Masernschutzes zu prüfen. Die Vorlage der Nachweise ist von der Einrichtung zu dokumentieren. Beachten Sie dazu die von den Landesministerien veröffentlichten Mustervordrucke für die Nachweisdokumentation. Eine Kopie und Verwahrung der vorgelegten Nachweise in den Akten der Gemeinschaftseinrichtung ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch datenschutzrechtlich erlaubt.
Kinder, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen betreut wurden, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen solchen Nachweis zunächst bis zum Ablauf des 31. Juli 2021 vorzulegen. Diese Übergangsfrist wurde dann mehrfach, zuletzt bis zum 31.07.2022 verlängert.
Für am 1. März 2020 Betreute: Wenn der Nachweis nicht bis 31. Juli 2022 vorgelegt wurde oder sich ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder ver-vollständigt werden kann (insbesondere bei Personen mit vorübergehender medizinscher Kontraindikation), hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen (siehe Näheres dazu unten unter Ziffer 5). Diese Personen können von der Einrichtung zunächst weiter beschäftigt oder betreut bzw. dort tätig werden, solange kein Betretungs-, Betreuungs- oder Tätigkeitsverbot vom Gesundheitsamt angeordnet wird (so auch z.B. die Aussage des Bayerischen Staatsministeriums für Fami-lie, Arbeit und Soziales).

Welche Benachrichtigungspflichten treffen die Gemeinschaftseinrichtungen in Bezug auf den Impf- bzw. Immunstatus der zu betreuenden Kinder?

Wenn der Nachweis nicht bis zum vorgeschriebenen Datum des 31.07.2022 vorgelegt wurde oder sich aus dem Nachweis ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder vervollständigt werden kann, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung (oder die andere nach Landesrecht bestimmte Stelle) unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Eine Benachrichtigungspflicht besteht nicht, wenn der Leitung der jeweiligen Einrichtung bekannt ist, dass das Gesundheitsamt über den Fall bereits informiert ist.
Seit einer Gesetzesänderung (Gesetz v. 16.9.2022 I 1454 mWv 17.9.2022) besteht eine Benachrichtigungspflicht der Einrichtungsleitung auch dann, wenn der vorgelegte Nachweis Zweifel an der der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit hervorruft. Zweifel an der Echtheit bestehen, wenn Zwei-fel an der Identität des Ausstellers bestehen, die aus dem Nachweis als solchem hervorgehen. Unter „Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit“ („Inhaltszweifel“) sind Zweifel daran zu verstehen, dass die im Nachweis als inhaltlich richtig bescheinigten Tatsachen mit der Realität übereinstimmen. Problematisch ist, dass es in beiden Varianten auf die Beurteilung der Einrichtungsleitung ankommt, die dafür im Falle pädagogischer Einrichtungen im Regelfall gar nicht die fachliche Kompetenz zur Beurteilung solcher medizinischen Fragen haben dürfte.
Die zu übermittelnden „personenbezogenen Angaben“ legt das Gesetz wie folgt fest: Name und Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und, falls abweichend, Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsortes der betroffenen Person sowie, soweit vorliegend, Telefonnummer und E-Mail-Adresse.
Das Verfahren der Meldung an das Gesundheitsamt ist nicht gesondert gesetzlich geregelt. Die Meldung an das Gesundheitsamt sollte aus Gründen des Datenschutzes postalisch erfolgen und mit der Kennzeichnung „vertrauliche Gesundheitsdaten“ versehen werden.

In welchen Fällen und in welcher Form hat eine Schule das Gesundheitsamt zu informieren?

Da die Schulpflicht der Pflicht zum Nachweis erforderlichen Masernschutzes vorgeht, sind Schülerinnen und Schüler, die der Schulpflicht unterliegen, dennoch in die Schule aufzunehmen und dürfen diese die Schule weiterhin besuchen (§ 20 Abs. 9 S. 9 und Abs. 12 S. 4 IfSG). Die Schule ist jedoch verpflichtet, den Umstand fehlenden Masernschutzes bei Aufnahme in die Schule dem Gesundheitsamt mitzuteilen.
Dabei ist lediglich der Umstand mitzuteilen, dass der Masernschutz nicht nachgewiesen wurde, sowie die entsprechenden personenbezogenen Angaben (Name, Anschrift, etc., vgl. oben die Ausführungen dazu unter Ziffer 7 sowie die Legaldefinition in § 2 Nr. 16 IfSG).
Die Weiterleitung von ärztlichen Zeugnissen oder ähnlichen Bescheinigungen durch die Gemeinschaftseinrichtung an das Gesundheitsamt ist gesetzlich nicht vorgesehen und dürfte dem Datenschutz widersprechen. Auch dies bringen die Verwaltungsanweisungen einiger Bundesländer zum Ausdruck.
https://km-bw.de/site/pbs-bw-km-root/get/documents_E1973816217/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/KM-Homepage/Artikelseiten%20KP-KM/Gesetze,%20Verordnungen/Masernschutzgesetz/Anlage%20Schreiben%20an%20Gesundheitsamt.docx
Auch das Bundesland Schleswig Holstein informiert dementsprechend:
„Weitere Daten – wie etwa eine Kopie vorgelegter Dokumente – werden nicht übermittelt.“
Soweit für die Datenübermittlung an das Gesundheitsamt keine technische Lösung zur Verfügung steht, die die Vorgaben zur Datensicherheit bei Gesundheitsdaten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erfüllt, erfolgt die Datenübermittlung auf dem Postweg per Brief. Es wird jedoch empfohlen, sich mit dem zuständigen Gesundheitsamt diesbezüglich vorab abzustimmen.“
https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/I/Impfen/ImpfenSchulenMasern.html
Es ist dann Sache des Gesundheitsamtes, sich an die Familien der betroffenen Kinder bzw. Schüler zu wenden.
Zur Form der Übermittlung der Benachrichtigung an das Gesundheitsamt heißt es vom Bayerischen Ministerium für Familie, Arbeit und Soziales:
„Die Meldung an das Gesundheitsamt sollte postalisch erfolgen und mit der Kennzeichnung „vertrauliche Gesundheitsdaten“ versehen werden.“
https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/service-kinder/newsletter/stmas-baykitag-321.pdf

Was bedeuten die Benachrichtigungspflichten gegenüber dem Gesundheitsamt für den Datenschutz

Die Regelungen zu den Benachrichtigungspflichten im Masernschutzgesetz stellen eine gesetzliche Grundlage für diese Datenübermittlung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c DSGVO dar und legitimieren diese. Die vorgesehenen Benachrichtigungspflichten gegenüber dem Gesundheitsamt können deshalb nicht schlicht unter Verweis auf den Datenschutz verweigert werden.

Welche Personen treffen die Prüf- und Benachrichtigungspflichten konkrent

Die Prüf- und Benachrichtigungspflichten treffen konkret die „Leitung der Einrichtung“. Die „Leitung der Einrichtung“ wird in § 2 Nr. 15 IfSG wie folgt definiert:
„Die Person, die mit den Leitungsaufgaben in der jeweiligen Einrichtung beauftragt ist; das betrifft auch … die Person, die einrichtungsübergreifend mit den Leitungsaufgaben beauftragt ist.“
Diese Beauftragung erfolgt entweder einrichtungsintern durch den Träger der Einrichtung, ist in manchen Bundesländern aber auch in den jeweiligen Landes-Kindertagesbetreuungsgesetzen (Ki-TaG) festgelegt und vorgegeben.
Der 458. Newsletter des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales informiert dazu wie folgt:
„Einrichtungsleitung ist regelmäßig der Träger der Einrichtung. Die Träger werden gebeten, diese Aufgaben möglichst nicht an die pädagogische Einrichtungsleitung zu übertragen. Im Falle der Übertragung kann die benötigte Arbeitszeit nicht im Anstellungsschlüssel berücksichtigt werden.“
Die Leitung der Einrichtung trägt die Verantwortung für die Nachweis-Kontrolle. Sie kann die Kon-trolle delegieren, sofern die Einrichtungsleitung die erfolgte Prüfung bei einer Kontrolle des Ge-sundheitsamts belegen kann.

Konsequenzen aus dem Masernschutzgesetz

Welche Konsequenzen folgen aus dem Masernschutzgesetz für Betreuungsverträge?

Es ist zwischen neu abzuschließenden und bestehenden Betreuungsverträgen zu unterscheiden.
Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (01.03.2020) sollte vor dem Abschluss neuer Verträge auf die Vorlagepflicht der oben (A.2.) genannten Nachweise als Voraussetzung für die Aufnahme und Betreuung von Kindern schriftlich hingewiesen werden (Hinweisblatt).
Eine zusätzliche Klausel in den Betreuungsverträgen ist nicht erforderlich. Wird ein Betreuungsver-trag geschlossen, ohne dass die erforderlichen Nachweise vorgelegt werden, so darf nach dem Gesetz die Betreuung des Kindes in der Einrichtung nicht erfolgen, bis die Nachweise nachgereicht werden. Das Entgelt wird gleichwohl geschuldet. In jedem Fall kann der Vertrag nach den wirksam vertraglich vereinbarten bzw. gesetzlich geregelten Kündigungsmöglichkeiten beendet werden.
Für bestehende Verträge gilt dies erst ab dem 1. August 2022. Die Vertragspartner sollten möglichst frühzeitig nach Verabschiedung bzw. Inkrafttreten des Gesetzes schriftlich darauf hingewiesen werden (Hinweisblatt).

Datenschutzrechtliche Vorkehrungen

Müssen datenschutzrechtliche Vorkehrungen getroffen werden?

Die Verarbeitung und mögliche Weitergabe der Gesundheitsdaten zur Erfüllung der Prüf- und Benachrichtigungspflichten ist in die erforderlichen Datenschutzmaßnahmen zu integrieren. Dies betrifft insbesondere die Anpassung bzw. Erweiterung von
– Hinweispflichten bei Datenerhebung (ggf. Datenschutzerklärung)
– ggf. technischen und organisatorischen Maßnahmen
– Verarbeitungsverzeichnis

Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

Auch die in Gemeinschaftseinrichtungen tätigen Mitarbeiter unterliegen den Vorgaben des Masernschutzgesetzes. Das Gesetz sieht Tätigkeitsverbote für Personen ohne ausreichenden Impfschutz bzw. ohne ausreichenden Immunitätsnachweis (ärztliche Bescheinigung aufgrund einer Titerbestimmung oder über durchgemachte Masern) vor. 

Welche Mitarbeiter sind betroffen?

Das Gesetz sieht diese Verpflichtung für Personen vor, die in den besagten Einrichtungen „tätig“ sind. Dies betrifft laut Gesetzesbegründung „insbesondere Personal mit Lehr-, Erziehungs-, Pflege- oder Aufsichtstätigkeiten, aber auch Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal (egal ob als Arbeitnehmer oder Honorarkraft); erfasst sind auch ehrenamtlich Tätige und Prakti-kanten“. Dabei dürfte es erforderlich sein, dass die Personen regelmäßig (nicht nur für wenige Tage) und nicht nur zeitlich ganz vorübergehend (nicht nur jeweils wenige Minuten, sondern über einen längeren Zeitraum) in der Einrichtung tätig sind. Auch Schülerpraktikanten dürften erfasst sein. Hospitanten, die nur einen Tag anwesend sind, dürften demnach nicht erfasst sein.
Anders als der frühere Referentenentwurf stellt das beschlossene Gesetz nicht mehr darauf ab, ob das Personal Kontakt mit den Betreuten hat. Daher ist wohl davon auszugehen, dass der Gesetzgeber unterschiedslos alle Mitarbeiter und damit auch Verwaltungsmitarbeiter einbeziehen will.
Da der Gesetzeswortlaut allein auf das „Tätigsein“ in der Einrichtung abstellt, sind auch Mitarbeiter von externen Dienstleistungsunternehmen (z. B Reinigungsfirmen) betroffen. Ob das Gesetz tatsächlich so extensiv angewendet wird, bleibt abzuwarten und dürfte auch von den Umständen des Einzelfalles abhängen (z.B. Zeiträume der Reinigung weit entfernt von den Betriebszeiten der Einrichtungen). Wer sicher gehen möchte, müsste von den externen Dienstleistern die entsprechenden Nachweise für die Personen einfordern, die in den Räumen der Gemeinschaftseinrichtungen tätig sind.
Nach Auffassung z.B. des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales genügt es bei externen Dienstleistern, wenn die Einrichtungsleitung belegen kann, dass sie die eingesetzten Dienstleister privatrechtlich verpflichtet hat, nur den Anforderungen des Masernschutzgesetzes entsprechende Personen in der Einrichtung einzusetzen bzw. dass sie diese Verpflichtung an die Stellen kommuniziert hat, die die Verträge mit externen Dienstleistern abgeschlossen haben und dies bei einer Kontrolle durch das Gesundheitsamt belegen kann (vgl. 321. Newsletter des Staats-ministeriums „Allgemeine Informationen zur Kindertagesbetreuung“).

Gilt die Regelung auch für Vorstände und Elternbeiräte?

Die Regelung gilt laut Gesetzeswortlaut für alle Personen, die „in“ den Gemeinschaftseinrichtungen „tätig“ sind. Da laut Gesetzesbegründung auch „ehrenamtlich Tätige“ erfasst werden sollen und der Gesetzeswortlaut offenbar bewusst weit gefasst ist, ist nicht ausgeschlossen, dass die Vorschrift auch auf Vorstände und Elternbeiräte angewendet wird, soweit deren Versammlungen und Tätigkeiten regelmäßig in den Räumen der Gemeinschaftseinrichtung stattfinden. Auf einen Kontakt mit den Betreuten stellt die aktuelle Gesetzesfassung nicht mehr ab. Bloß einmalige oder sporadische Elterneinsätze und Gefälligkeiten (z.B. zu Jahresfesten und Tagen der offenen Tür) dürften wohl nicht betroffen sein. Sofern Vorstands- und Beiratssitzungen nicht in den Räumen der Ge-meinschaftseinrichtung stattfinden (z.B. bei Trägern mit mehreren Betrieben und Unternehmens-bereichen), ist das Merkmal der Tätigkeit „in der Einrichtung“ nicht erfüllt.

Gilt das Masernschutzgesetz auch für Kurse bzw. Gruppen, die in den betroffenen Einrichtungen stattfinden oder sich dort treffen?

Nach Darstellung des Bundesgesundheitsministeriums werden auch Gruppen und Kurse vom Masernschutzgesetz erfasst, wenn sie sich regelmäßig (nicht nur für wenige Tage) und über einen längeren Zeitraum (nicht nur für jeweils wenige Minuten) in der Einrichtung aufhalten.

Welche Rolle spielt das Alter der Mitarbeiter?

Die gesetzliche Regelung adressiert nur Personen, die nach 1970 geboren sind. Mitarbeiter mit Ge-burtsjahr 1970 und älter sind von der Regelung nicht betroffen. Die Altersgrenze entstammt den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), die bei älteren Erwachsenen von einer ausreichenden Immunität durch Wildviren ausgehen.

Welche Prüfpflichten treffen die Gemeinschaftseinrichtung in Bezug auf den Impf- bzw. Immunstatus der Mitarbeiter?

Die Gemeinschaftseinrichtungen müssen bei Beschäftigung neuer Mitarbeiter prüfen, ob bei den betroffenen Mitarbeitern (Jahrgang 1971 und jünger) ein Impfschutz im Sinne der gesetzlichen Vorgaben besteht oder eine Immunität vorliegt (vgl. näher oben unter B. 2.). Ohne einen entsprechenden Nachweis dürfen diese Mitarbeiter nicht mehr beschäftigt bzw. in der Einrichtung tätig werden.
Das Masernschutzgesetz ermächtigt die oberste Landesgesundheitsbehörde (oder eine von ihr bestimmte Stelle) zu bestimmen, dass diese Nachweise nicht der Leitung der Gemeinschaftseinrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen sind. Ob die Bundesländer von dieser Ermächtigung Gebrauch machen, bleibt abzuwarten.

Mitarbeiter (Jahrgang 1971 und jünger), die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. März 2020 bereits in Gemeinschaftseinrichtungen tätig waren, hatten der Leitung der jeweiligen Einrichtung einen solchen Nachweis bis zum Ablauf des 31. Juli 2022 vorzulegen. Die Einrichtungsleitungen waren zur unverzüglichen Benachrichtigung des Gesundheitsamtes über die Nichtvorlage eines der gesetzlich vorgesehenen Nachweise verpflichtet. Ein automatisches gesetzliches Beschäftigungsverbot ab diesem Zeitraum sieht das Gesetz nicht vor. Gesundheitsämter haben die Befugnis – nach Anhörung der Betroffenen – ein Tätigkeits-, Beschäftigungs- oder Betretungsverbot gegenüber den Betroffenen zu verhängen.

Welche Benachrichtigungspflichten treffen die Gemeinschaftseinrichtungen in Bezug auf den Impf- bzw. Immunstatus der Mitarbeiter?

Wenn der Nachweis betroffener Mitarbeiter (Jahrgang 1971 und jünger) nicht bis zum vorgeschrie-benen Datum des 31.07.2022 vorgelegt wurde oder sich aus dem Nachweis ergibt, dass ein Impfschutz gegen Masern erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist oder vervollständigt werden kann, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung (oder die andere nach Landesrecht bestimmte Stel-le) unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die Einrichtung befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln.
Seit einer Gesetzesänderung besteht eine Benachrichtigungspflicht der Einrichtungsleitung auch dann, wenn der vorgelegte Nachweis Zweifel an der Echtheit oder der inhaltlichen Richtigkeit hervorruft. Zweifel an der Echtheit bestehen, wenn Zweifel an der Identität des Ausstellers bestehen, der aus dem Nachweis als solchem hervorgehen. Unter „Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit“ („Inhaltszweifel“) sind Zweifel daran zu verstehen, dass die im Nachweis als inhaltlich richtig bescheinigten Tatsachen mit der Realität übereinstimmen. Problematisch ist, dass es in beiden Varian-ten auf die Beurteilung der Einrichtungsleitung ankommt, die dafür im Falle pädagogischer Einrichtungen im Regelfall gar nicht die fachliche Kompetenz zur Beurteilung solcher medizinischen Fragen haben dürfte.
Eine Benachrichtigungspflicht besteht nicht, wenn der Leitung der jeweiligen Einrichtung bekannt ist, dass das Gesundheitsamt über den Fall bereits informiert ist.
Die zu übermittelnden „personenbezogenen Angaben“ legt das Gesetz wie folgt fest: Name und Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und, falls abweichend, Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsortes der betroffenen Person sowie, soweit vorliegend, Telefonnummer und E-Mail-Adresse.

Darf die Einrichtung bei der Neueinstellung den Impfschutz der Bewerber erfragen bzw. Nachweise über Impfungen (Impfpass, ärztl. Bescheinigungen über die Impfungen) bzw. der Immunität (Titerbestimmung) verlangen?

Mitarbeiter ohne Impf- oder Immunitätsschutz dürfen nicht tätig sein bzw. werden, daher darf die Gemeinschaftseinrichtung einen Nachweis über diese subjektive Berufszulassungsbeschränkung erfragen bzw. fordern. Der Nachweis ist vor Aufnahme der Tätigkeit vorzulegen.

Wer trägt für eine solche Labor-Titerbestimmung oder für eine ärztliche Bescheinigung die Kosten?

Der Nachweis über einen bestehenden Impfschutz bzw. der Immunität ist als Nachweis der Eignung der potentiellen Mitarbeiter für die beruflichen Anforderungen zu sehen, er ist nicht im Rahmen der Arbeitsmedizinischen Vorsorge zu erbringen und damit nicht vom Arbeitgeber zu zahlen.
Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist es aber möglich und mitunter sinnvoll, dass der Arbeitgeber aus Kulanz die notwendigen Kosten für die Mitarbeiter trägt.
Allein die Frage eines unklaren Impfstatus berechtigt nicht, diese Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung aufzuerlegen. Dies gilt unabhängig vom Masernschutzgesetz, das an diesem Grundsatz nichts ändert bzw. die Krankenkassen nicht zur Kostenübernahme verpflichtet (Die Impfung selbst übernimmt die gesetzliche Krankenkasse).

Folgt aus dem Tätigkeitsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverbot?

Ein neu eingestellter Mitarbeiter ist wegen des Tätigkeitsverbots an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert, das heißt, die tatsächliche Ausführung des Arbeitsverhältnisses kann wegen des gesetzlichen Verbots nicht erfolgen. Wenn die Einrichtung den Mitarbeiter aus diesen Gründen nicht beschäftigt, gerät sie nicht in Annahmeverzug, so dass der Mitarbeiter keinen Anspruch auf Gehaltszahlung hat.
Hat ein zum 01.03.2020 bereits in der Einrichtung tätiger Mitarbeiter bis zum 31.07.2022 nicht den notwendigen Nachweis erbracht, tritt kein automatisches gesetzliches Tätigkeitsverbot ein. Der fehlende Nachweis ist dem Gesundheitsamt zu melden. Dieses kann dann im Einzelfall ein behördliches Tätigkeits- und Betretungsverbot per Verwaltungsakt verhängen.

Folgt aus dem Tätigkeitsverbot ein Kündigungsrecht?

Ist der Mitarbeiter wegen des gesetzlichen Tätigkeitsverbotes bei Neuaufnahme einer Arbeit oder wegen eines behördlich verfügten Tätigkeitsverbotes nach Ablauf der Übergangsfrist zum 31.07.2022 zur Leistung der vertraglich geschuldeten Dienste außerstande, kommt eine ordentliche personenbedingte Kündigung in Betracht.

Gibt es einen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG wegen eines aufgurnd mangelnden Impfschutzes eingetretenen Beschäftigungsverbots?

Grundsätzlich sieht § 56 IfSG zwar Entschädigungsansprüche für zeitlich befristete berufliche Tätigkeitsverbote vor, die erkrankte oder krankheitsverdächtige Personen durch Maßnahmen aufgrund des IfSG erleiden. Einen Entschädigungsanspruch für Tätigkeitsverbote, die durch Inanspruchnahme einer gesetzlich vorgeschriebenen oder öffentlich empfohlenen Schutzimpfung oder Impfung hätte vermieden werden können, schließt eine Gesetzesänderung durch das Masernschutzgesetz aber jetzt explizit aus (vgl. § 56 Abs. 1 S. 4  IfSG).

Sanktionen, Bußgelder und Zwangsgelder

Welche Bußgeldtatbestände sieht das Masernschutzgesetz vor?

Nach dem Masernschutzgesetz kann ein Bußgeld in folgenden Konstellationen verhängt werden ,
– wenn die Leitung der Einrichtung eine Benachrichtigung an das Gesundheitsamt nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vornimmt.
– wenn die Leitung der Einrichtung ein Kind ohne entsprechende Nachweise betreut oder Personal ohne entsprechende Nachweise beschäftigt.
– wenn Mitarbeiter ohne Impfschutz oder Immunitätsnachweis in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Kitas, erlaubnispflichtige Tagespflege, Schulen und sonstige Ausbildungsstätten, Heime) tätig werden.
– Wenn eine Person entgegen einer Nachweisanforderung und Fristsetzung durch das Gesundheitsamt innerhalb der gesetzten Frist keinen der gesetzlich vorgesehenen Nachweise vorlegt

Gegen welche Personen auf Seiten der Gemeinschaftseinrichtungen könnten Bußgelder nach § 73 IfSG verhängt werden?

Laut § 73 Abs. 1a Ziff. 7a – 7d IfSG können Bußgelder gegen die Personen der „Leitung der Einrichtung“ verhängt werden sowie gegen die Mitarbeiter, die ohne eigenen Impfschutz oder Immunitätsnachweis in Gemeinschaftseinrichtungen tätig werden.
Wer genau als „Leitung der Einrichtung“ im Sinne des Gesetzes gilt, etwa die pädagogischen Leitungsperson(en) oder/und der Vorstand eines Trägervereins, ist nicht eindeutig geregelt. Im Zweifel müssen alle Vorstände und pädagogischen Leitungspersonen damit rechnen, als Verantwortlich angesehen zu werden. Daher sollte der Vorstand, der keinesfalls die Nachweise selbst und in eigener Person kontrollieren muss, im Einvernehmen mit der Einrichtungsleitung durch geeignete und dokumentierte organisatorische Maßregeln sicherstellen, dass geeignete Personen für diese Prüfungen zuständig sind und ihre Aufgabe auch erfüllen.

Wie hoch kann ein Bußgeld sein?

Der Bußgeldrahmen beträgt bis Euro 2.500,- (vgl. § 73 Abs. 2 IfSG). Die Behörde hat bei der Festsetzung des Bußgeldes die wirtschaftlichen Verhältnisse der Person zu berücksichtigen. Der Betrag von € 2.500,- ist also eine Höchstgrenze, der in der Regel nicht ausgeschöpft wird. Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt das sog. Opportunitätsprinzip, d.h. der Staat ist nicht verpflichtet, jede Ord-nungswidrigkeit zu verfolgen.
Die begangene Ordnungswidrigkeit muss vorwerfbar sein. Außerdem müssen die zuständigen Behörden dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend bei unterschiedlichen Verstößen die Geldbuße entsprechend unterschiedlich bestimmen.
Es bleibt abzuwarten, wie strikt und scharf diese Ordnungswidrigkeitentatbestände tatsächlich verfolgt werden.
Aktuelle Berichte zeigen, dass die Verfolgungspraxis je nach Bundesland sehr unterschiedlich ist. Während in den süddeutschen Bundesländern Bußgelder gegenüber Eltern von Euro 200,- – 300,- bekannt geworden sind, gibt es im Bundesland Berlin sogar Fälle kumulativer Verhängung von Bußgeldern und Zwangsgeldern von Euro 1.000,- und Euro 1.250,- je Kind.

Können Bußgelder auch wiederholt verhängt werden?

Es liegt im Ermessen der zuständigen Behörde, ob sie ein Bußgeld verhängt. Das Bußgeld kann in der Regel nur einmal verhängt werden. Das gilt jedoch nur je Bußgeldverstoß.
Eine wiederholte Verhängung der Geldbuße kommt in Frage, wenn eine bestands- oder rechtskräftige Entscheidung (siehe OLG Dresden NStZ-RR 97, 314) vorliegt oder ein neu gefasster (Unter-lassungs-)Entschluss anzunehmen ist.
Sollte das Gesundheitsamt mehrfach unter Fristsetzung zur Vorlage eines Nachweises auffordern, kann dies auch als neuer Verstoß erneut sanktioniert werden.

Wann tritt die sog. Verfolgungsverjährung bei den Bußgeldtatbeständen des Masernschutzgesetzes ein?

Die Verfolgungsverjährung für Ordnungswidrigkeiten ist in § 31 OWiG geregelt:
https://www.gesetze-im-internet.de/owig_1968/__31.html
Die Verfolgungsverjährung ist demnach abhängig von der Höhe der vom Gesetz für den jeweiligen Bußgeldtatbestand angedrohten Geldbuße. Da es hier um Geldbußen bis max. Euro 2.500,- geht (vgl. § 73 Abs. 2 i.V.m. § 73 Abs. 1a Ziff. 7a) – d) IfSG), beträgt die Verfolgungsverjährung hier ein Jahr.
Die Verfolgungsverjährung wird jedoch z.B. unterbrochen mit der Zusendung eines Anhörungsbogens.

Dürfen nach § 73 IfSG festgesetzte Bußgelder aus dem Vermögen eines gemeinnützigen Rechtsträgers gezahlt werden?

Nein, Bußgelder sind Sanktionen, die sich nicht gegen die Einrichtung richten, sondern gegen die Personen, die für deren Leitung verantwortlich sind. Daher wäre es eine gemeinnützigkeitsschädliche Mittelfehlverwendung, wenn eine gemeinnützige Einrichtung die Bußgelder für individuelles Fehlverhalten ihrer Leitungspersonen übernähme.

Dürfen neben Bußgeldern auch Zwangsgelder angedroht und verhängt werden?

Die Gesetzesbegründung zum Masernschutzgesetz sieht ausdrücklich vor, dass die behördliche Anordnung zur Vorlage eines Nachweises auch mit Mitteln des Verwaltungszwangs verfolgt werden kann .
Die betrifft vor allem Fälle, in denen Kinder und Jugendliche wegen Vorrangs der Schulpflicht auch bei Nichtvorlage eines Nachweises weiter die Schule besuchen können und müssen.
Neben oder alternativ zum Bußgeld kann deshalb auch ein Zwangsgeld in Betracht kommen, wenn der vollstreckbaren Pflicht, einen Nachweis vorzulegen, nicht nachgekommen wird.
Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln wie die Androhung und die Festsetzung eines Zwangsgeldes richten sich nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Bundesländer.
Eine Zwangsimpfung kommt jedoch auch nach der Darstellung des Bundesgesundheitsministeriums in keinem Fall in Betracht.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht/faq-masernschutzgesetz.html

Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des Masernschutzgesetzes?

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2022

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 21.07.2022 die Vorschriften des Masernschutzgesetzes als verfassungskonform eingestuft und vier Elternverfassungsbeschwerden abgewiesen .
Die Eingriffe sowohl in das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und in die körperliche Unver-sehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder sind aus Sicht des BVerfG verfassungsrechtlich allein bei verfassungskonformer Auslegung von § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG gerechtfertigt. Dann genügen sie den Anforderungen des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts und sind im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig.
Die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerden erfolgte jedoch mit der Maßgabe einer verfassungskonformen Auslegung, die an die zur Durchführung der Masernimpfung im Inland verfügba-ren Impfstoffe anknüpft. Stehen – wie derzeit in Deutschland – ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung, ist § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG verfassungskonform so zu verstehen, dass die Pflicht, eine Masernimpfung auf- und nachzuweisen, nur dann gilt, wenn es sich um Kombinationsimpfstoffe handelt, die keine weiteren Impfstoffkomponenten enthalten als die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken.

Urteil des Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte vom 8. April 2021 – 47621/13

Ebenso hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 8. April 2021 – 47621/13 –, juris die Regelungen der tschechischen Impfpflicht, die auch eine Masernimpfpflicht beinhaltete, für mit der Europäischen Konvention für Menschenrechte vereinbar eingestuft.
Der EGMR hat zunächst festgestellt, dass es sich bei der Pflicht, sich gegen bestimmte Krankheiten impfen zu lassen um einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der Kläger handeln würde; dieser Eingriff sei durch die bestehenden Regelungen, wie von Art 8 Abs 2 MRK gefordert, gesetzlich vorgesehen. Das Ziel der gegenständlichen Regelungen bestünde darin, die tschechische Bevölkerung vor schwerwiegenden Krankheiten zu schützen, was den von Art 8 Abs 2 MRK anerkannten Zielen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit sowie des Schutzes der Rechte anderer entspreche. Auch die ebenfalls in Art 8 Abs. 2 MRK vorausgesetzte Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft sei gegeben. Den Vertragsstaaten käme bei Fragen der Gesundheitspolitik prinzipiell ein weiter Ermessensspielraum zu und auch das dringende soziale Bedürfnis, den Schutz gegen besagte Krankheiten aufrechtzuerhalten könne bejaht werden. Der verfolgte Ansatz, gewis-se Impfungen gegen ernsthafte Krankheiten verpflichtend vorzusehen werde insgesamt durch relevante und ausreichende Gründe gestützt. Schließlich seien die gesetzlichen Regelungen Tschechiens zur Impfpflicht verhältnismäßig. Die gegen den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe würde ihn nicht übermäßig belasten, da sie im unteren Bereich des Strafrahmens angesiedelt sei. Zu den übrigen Klägern räumt der EGMR ein, dass ihnen durch die Verweigerung der Aufnahme in den Kindergarten eine für ihre Entwicklung nicht zu unterschätzende Gelegenheit entgangen sei, was jedoch aus der Entscheidung der jeweiligen Eltern resultiere, einer gesetzlichen Pflicht nicht nachzukommen, deren Zweck es sei, die Gesundheit von Kindern zu schützen. Hinzukäme, dass diese negativen Auswirkungen zeitlich begrenzt sind, weil die Zulassung für die Grundschule nicht mehr davon beeinflusst werde, ob ein Kind die gesetzlichen Impfungen erhalten hat oder nicht. Deshalb sei keiner der Kläger in seinem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 MRK verletzt.

Sind mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2022 bereits alle verfassungsrechtlichen Fragen zum Masernschutzgesetz geklärt und beantwortet?

Nein. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21.07.2022 (Aktenzeichen 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20, 1 BvR 471/20 und 1 BvR 472/20) vier Verfassungsbeschwerden von Eltern und deren Kindern gegen das Masernschutzgesetz abgewiesen.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluss vom 21.07.2022 jedoch nur mit Fallkonstellationen der Kindertagesbetreuung im Vorschulalter befasst.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss ausdrücklich festgestellt, dass die Beurteilung der Nachweispflichten im Schulkontext nicht von diesem Beschluss umfasst sei.
So heißt es unter Rdnr. 49 des Beschlusses:
…. Von den Verfassungsbeschwerden nicht erfasst sind daher von der Auf- und Nachweispflicht betroffene Schülerinnen und Schüler (vgl. § 33 Nr. 3 IfSG), Personen, die bereits vier Wochen in ei-nem Heim betreut werden oder in Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asyl-bewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern untergebracht sind (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 IfSG), sowie Personen, die in bestimmten Einrichtungen tätig sind (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG).
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/07/rs20220721_1bvr046920.html

Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts basiert auch gerade auf der Konstellation der vorschulischen Betreuung.
Bezüglich der vorschulischen Betreuung verweist das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel da-rauf, dass den Eltern die Freiheit verbleibe, ihre Kinder zu Hause oder im Kontext der nicht erlaubnispflichtigen Kindertagespflege zu betreuen beziehungsweise betreuen zu lassen.
So heißt es in Rdnr. 145 der Entscheidung:
„Dabei wird das Gewicht des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch dadurch abgemildert, dass die angegriffenen Maßnahmen die Freiwilligkeit der Impfentscheidung der Eltern als solche nicht auf-heben und diesen damit die Ausübung der Gesundheitssorge für ihre Kinder im Grundsatz belassen. Sie ordnen keine mit Zwang durchsetzbare Impfpflicht an (vgl. auch § 28 Abs. 1 Satz 3 IfSG). Viel-mehr verbleibt den für die Ausübung der Gesundheitssorge zuständigen Eltern im Ergebnis ein rele-vanter Freiheitsraum (vgl. zum verbleibenden Freiheitsraum auch BVerfG, Beschluss des Ersten Se-nats vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 -, Rn. 209, 221, 232). Sorgeberechtigte Eltern können auf eine Schutzimpfung des Kindes verzichten. Dann müssen sie allerdings den Nachteil in Kauf nehmen, dass sie eine andere Form der Kinderbetreuung (bspw. in der nicht erlaubnispflichtigen Tagespflege) finden müssen.“
Dieses Ausweichen aus dem Regelungskontext der Nachweispflichten des Masernschutzgesetzes besteht bei Konstellationen des Eingreifens der gesetzlichen Schulpflicht nicht mehr.
Eltern schulpflichtiger Kinder sind somit der Nachweispflicht für die gesamte Dauer der Schulpflicht „unentrinnbar“ ausgesetzt.
Auch unter dem Blickwinkel eines (dauerhaften) Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 GG von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschie-den.
Es sind noch weitere Verfassungsbeschwerden zum Masernschutzgesetz weiterhin beim Bundes-verfassungsgericht anhängig (u.a. zum Schulkontext Az. 1 BvR 2700/20 sowie 1 BvR 438/21 sowie aus Sicht der Kassenärzte unter dem Aspekt des Grundrechts der Berufsfreiheit und der Frage der belastbaren Freiwilligkeit der Einwilligung der Eltern und Betroffenen in die Impfung unter Az. 1 BvR 588/20).
Folgende Verwaltungsgerichte haben aktuell verwaltungsgerichtliche Klageverfahren zu Maßnahmen auf der Grundlage des Masernschutzgesetzes mit Blick auf die ausstehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Masernschutzgesetz im Schulkontext ruhend gestellt:
• Verwaltungsgericht Freiburg Az: 10 K 1390/22
• Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg Az: Au 9 K 21.2269
Wenn sogar Verwaltungsgerichte Gerichtsverfahren mit Blick auf die ausstehenden Entscheidun-gen des Bundesverfassungsgerichts ruhend stellen, steht diese Möglichkeit gleichermaßen auch den Behörden offen.
Auch mit Blick auf Art, Höhe und Häufigkeit der verhängten Sanktionen im Einzelfall könnte die Verhältnismäßigkeit der konkreten Anwendung des Masernschutzgesetzes erneut – jetzt im Fall einer sog. Urteilsverfassungsbeschwerde – zur Prüfung vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden.
Im Rahmen einer solchen Urteilsverfassungsbeschwerde könnten auch noch neue (individuelle) Grundrechtsbeschwerden vorgebracht werden, z.B. das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit, die im Rahmen der vom BVerfG entschiedenen Gesetzesverfassungsbeschwerde noch nicht thematisiert worden waren.


Quellenangaben im Original-Handout