Steigende Fälle von Hepatitis B in Deutschland – was steckt dahinter?

Die Tagesschau präsentierte am 30. Juli 2023 eine schlichte Graphik zum Anstieg von Hepatitis-Infektionen in Deutschland.[1] Direkt ins Auge springt dem Leser eine massive Zunahme von Hepatitis-B-Fällen, die sich innerhalb von nur vier Jahren nahezu verdoppelt haben. Die Tagesschau versäumt allerdings, Gründe für diese erschreckende Entwicklung anzugeben. Sie versäumt allerdings nicht, auf entsprechende Hepatitis-B-Impfungen hinzuweisen. 

Ohne fachliche Einordnung entsteht hier eine völlig verzerrte Berichterstattung, die beim Leser unnötige Angst vor Infektionen mit diesem Erreger erzeugen kann. Gerade die Tagesschau, die einen Schwerpunkt in den öffentlich-rechtlichen Medien bildet, müsste dringend umfassender berichten. So jedoch vermittelt diese Graphik eindeutig falsche Informationen – auf Neudeutsch haben wir es hier mit FakeNews zu tun. Wir wehren uns vehement gegen diese Art der Berichterstattung und klären hierzu detailliert auf:  

Insgesamt gab es sechs gravierende Änderungen, die direkten Einfluss auf die Erfassung von Hepatitis-B-Fällen in Deutschland haben: 

  1. Änderung der Falldefinition (2015) 

Erstmals zählen auch ausschließlich im Labor bestätigte Hepatitis-B-Infektionen, völlig unabhängig von bestehenden oder fehlenden Krankheitssymptomen. Damit werden erstmals auch chronische Fälle in jedem Stadium erfasst.[2] 

  1. Änderung der Meldepflicht (2017) 

Durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes besteht für alle direkten und indirekten Nachweise von Hepatitis B und C eine Meldepflicht. Entsprechend der geänderten Falldefinition unabhängig vom klinischen Bild der Erkrankung.[2][3] 

  1. Änderung der Referenzdefinition (2019) 

Durch eine veränderte Referenzdefinition werden für Hepatitis B und C nicht mehr nur die akuten Infektionen, sondern auch die chronischen Erkrankungen durch das Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht.[3] 

Allein durch diese Anpassungen hinsichtlich Erfassung, Meldung und Veröffentlichung von Hepatitis-B-Infektionen kam es wiederholt und im Jahr 2019 sogar sprunghaft zu einem Anstieg der Fallzahlen. Wohlgemerkt, nicht das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung ist sprunghaft angestiegen, sondern lediglich die Dokumentation der Fälle. 

  1. Einführung des Screenings (2021) 

Seit Oktober 2021 können gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren kostenlos Blutuntersuchungen auf Hepatitis B und C in Anspruch nehmen. Als Teil des Gesundheits-Check-Ups beim Hausarzt werden so neuerdings massenhaft stille Infektionen gefunden.[4] Das RKI selbst bezeichnet diesen Effekt als „erhöhte Fallfindung“.[3] 

  1. Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet der Ukraine (2022) 

Seit 2022 kommen Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland, wovon sich ein Teil der Menschen noch in ihrer Heimat oder auf der Flucht mit Hepatitis infiziert haben. Durch Tests in ihren Flüchtlingsunterkünften werden diese Infektionen zusätzlich in die deutsche Statistik aufgenommen.[3]  

  1. Einführung der elektronischen Meldung (2023) 

Im Januar 2022 erfolgte eine Umstellung auf elektronische Meldungen der Labore an die zuständigen Gesundheitsämter über alle meldepflichtigen Erreger. Mit Einführung wurden unzählige Personen mit bereits bekannten Infektionen versehentlich als neue Fälle registriert, es kam somit zu massiven Doppelungen.[3] 

All dies sind Einflussfaktoren, die immense Auswirkungen auf die Zahl der erfassten Hepatitis-B-Fälle in Deutschland haben. So wird ein Bild einer massiv ansteigenden Krankheitslast in der Bevölkerung suggeriert, welches nicht der Realität entspricht. Und das, obwohl Deutschland in Bezug auf die Allgemeinbevölkerung sogar zu den „Hepatitis-B-Niedrigprävalenzländern“ zählt.[2] 


[1] Tagesschau: Hepatitis-Infektionen. Meldungen nach Virustyp in Deutschland, Facebook-Post vom 30.07.2023

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=pfbid07NLvz7i5tERY2ZZLMz6vikxSL2ucMQWe8oGccPK9moY61VgQkySXpYXx6ZKPSiful&id=100064671764885

[2] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Robert Koch-Institut (RKI), Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Epidemiologie der Virushepatitiden A bis E in Deutschland, Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 14.01.2022

https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-021-03478-8

[3] Robert Koch-Institut: Anstieg der übermittelten Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Fälle in Deutschland im Jahr 2022, Epidemiologisches Bulletin 31/2023, 03.08.2023

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2023/Ausgaben/31_23.pdf?__blob=publicationFile

[4] Kassenärztliche Bundesvereinigung: Screening auf Hepatitis B und C als Teil der Gesundheitsuntersuchung in den EBM aufgenommen, 12.08.2021

https://www.kbv.de/media/sp/Praxisinformation_Gesundheitsuntersuchung.pdf

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