Zwei Bewertungen eines Impfstoffes – das Risiko von Frühgeburten durch RSV-Impfungen

Der RSV-Impfstoff Abrysvo von Pfizer ist mittlerweile für die Anwendung in der Schwangerschaft zugelassen. Mit der Zulassung wurden eine Reihe von Dokumenten aus dem Zulassungsverfahren der FDA (Food and Drug Administration) in den USA und der EMA (European Medicines Agency) in Europa veröffentlicht. Wie unterschiedlich die zwei Zulassungsbehörden ein und denselben Impfstoff bewertet haben, erstaunt.

Während die FDA in den Studiendaten des Impfstoffherstellers ein potenzielles Risikosignal für Frühgeburten erkennt und ihre Sicherheitsbedenken konkret betont [1], fällt die Einschätzung der EMA völlig anders aus. Auch in den Dokumenten der EMA finden sich entsprechende Angaben dazu, dass es in der Zulassungsstudie bei den geimpften Schwangeren zu mehr Frühgeburten kam als bei den Schwangeren der Vergleichsgruppe. Doch weist die EMA diese Fälle als statistisch nicht signifikant zurück. Gemäß der EMA wurde kein Sicherheitssignal festgestellt.[2]

In der Fachinformation zum Impfstoff, gültig für die USA, findet sich unter Warnungen und Vorsichtsmaßnahmen der Hinweis: Potenzielles Risiko einer Frühgeburt (Potential risk of preterm birth).[3] In der Fachinformation zum exakt gleichen Impfstoff, gültig für europäische Länder, ist kein solcher Hinweis enthalten.[4]

Während die FDA den Impfstoff für Frauen ausschließlich zwischen der 32. und 36. Schwangerschaftswoche zugelassen hat, fällt die Einschätzung der EMA auch in diesem Punkt völlig anders aus. In Europa hat dieser Impfstoff seine Zulassung für Frauen zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche erhalten – exakt wie vom Hersteller Pfizer beantragt. Da die FDA die Gefahr von Frühgeburten durch den Impfstoff anerkennt, hat sie sich bewusst von Impfungen vor der 32. Schwangerschaftswoche distanziert. Entwicklungsverzögerungen, chronische Krankheiten und geringere Überlebenschancen können die Folgen von extremen Frühgeburten (vor der 28. Schwangerschaftswoche) sowie frühen Frühgeburten zwischen der 28. und 32. Schwangerschaftswoche) sein. Auch Frühgeburten zwischen der 32. und 36. Schwangerschaftswoche gehen mit vielen gesundheitlichen Risiken einher, wurden von der FDA jedoch als medizinisch gut behandelbar eingeschätzt.

Löst die RSV-Impfung bei einer Schwangeren bis zur 36. Woche eine Frühgeburt aus, ist darüber hinaus auch ein möglicher Nutzen der Impfung in Frage zu stellen. Denn nur für altersgerecht geborene Babys wurde in den Studien ein prozentualer Schutz vor einer RSV-Erkrankung von 30% bis 78% errechnet. Hingegen für Babys, die vor der 36. Schwangerschaftswoche geboren wurden, fiel die Übertragung der mütterlichen Antikörper über die Plazenta für einen messbaren Schutz zu gering aus.[5]

Einig sind sich FDA und EMA darin, nach der Zulassung von Abrysvo die Durchführung weiterer Studien zu fordern. Deutlich mehr Daten geimpfter Frauen in der Schwangerschaft seien erforderlich, um das Risiko von Frühgeburten besser abschätzen zu können. Alle geplanten Studien haben ihren Studienbeginn im Laufe des Jahres 2024 und ihr Studienende irgendwann zwischen den Jahren 2029 und 2031. Bis dahin ist allen Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch dringend geraten, sich mit den unterschiedlichen Zulassungen, abweichenden Einschätzungen und mangelnden Daten für eine reale Risiko-Nutzen-Analyse für sich und ihr Ungeborenes intensiv auseinander zu setzen. 

[1] Food and Drug Administration: ABRYSVO: Summary Basis for Regulatory Action, 12.09.2023 

https://www.fda.gov/media/172126/download?attachment

[2] European Medicines Agency: Abrysvo: Assessment Report, 20.07.2023, veröffentlicht, 15.09.2023 

https://www.ema.europa.eu/en/documents/assessment-report/abrysvo-epar-public-assessment-report_en.pdf

[3] Food and Drug Administration: ABRYSVO: Package Insert (STN 125769), 08/2023 

https://www.fda.gov/media/168889/download?attachment

[4] European Medicines Agency: Abrysvo: Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, 15.09.2023 

https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/2023/20230823160227/anx_160227_de.pdf

[5] Pharmazeutische Zeitung: RSV-Prophylaxe. Neue Präparate, aber noch keine Empfehlung, 18.09.2023 

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/neue-praeparate-aber-noch-keine-empfehlung-142387

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