Vor jeder Impfung ist eine ärztliche Aufklärung gesetzlich vorgeschrieben. Für COVID-19-Impfungen allerdings galten über mehrere Jahre hinweg davon abweichende Bedingungen für eine Impfaufklärung, wie ein aktueller Aufsatz in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ betont. Da es sich bei den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer (Comirnaty) und Moderna (Spikevax) um neuartige Impfstoffe handelt, die zunächst nur eine bedingte Zulassung erhalten haben, lagen die Voraussetzungen für die Aufklärungspflicht des impfenden Arztes zwischen Dezember 2020 und Oktober 2022 anders:
Zum einen galten für nur bedingt zugelassene Impfstoffe deutlich höhere Anforderungen an die Impfaufklärung, zum anderen standen den Ärzten deutlich weniger Informationen für eine solche Impfaufklärung zur Verfügung. Für impfende Ärzte aus medizinischer und juristischer Sicht ein nahezu unlösbares Dilemma.
Im Zeitraum der bedingten Zulassung lagen der Zulassungsbehörde (European Medicines Agency – EMA) nicht genügend Informationen zum jeweiligen Impfstoff vor, um eine abschließende Zulassungsentscheidung zu treffen. Dementsprechend können weder den Gesundheitsbehörden noch den Ärzten ausreichende Informationen vorgelegen haben, um tatsächlich über Nutzen und Risiken der Impfungen aufzuklären. So waren beispielsweise zum Start der bedingten Zulassung von Comirnaty und Spikevax die Dauer des Impfschutzes, die Wirksamkeit und Sicherheit bei immungeschwächten Personen, die Wirksamkeit und Sicherheit bei bestimmten Vorerkrankungen, die Nebenwirkungen nach mehr als zwei Impfdosen, die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder anderen Impfstoffen, die möglichen Auswirkungen auf Krebsgeschehen (Karzinogenität) und der mögliche Einfluss auf das Erbgut (Genotoxizität) noch nicht untersucht. Zu solchen Fragestellungen waren damals bzw. sind bis heute schlichtweg keine Erhebungen geplant – das begrenzte Wissen zu den mRNA-Impfstoffen ist also nicht allein dem Zeitfaktor der schnellen Entwicklung geschuldet, sondern auch der Art der Studien.
Da viele Risiken der mRNA-Impfstoffe nicht annähernd bekannt waren, ließen sich diese mit einem erhofften Nutzen nicht einmal abwägen. Faktisch blieb einem impfenden Arzt unter diesen Bedingungen nur der explizite Hinweis auf unbekannte Risiken innerhalb einer bedingten Zulassung, um seiner Aufklärungspflicht nachzukommen. Genau das wird jedoch unter Zeitdruck in den Impfzentren, in den vollen Arztpraxen und bei großen Impfaktionen in den seltensten Fällen erfolgt sein. Auch auf den Aufklärungsmerkblättern des Robert-Koch-Institutes fehlte jeglicher Hinweis auf die bedingte Zulassung, diese Dokumente boten für eine Impfaufklärung daher keinen Mehrwert und konnten diese auch nicht ersetzen. Auch auf Informationen aus der Packungsbeilage der gelieferten Produkte konnten die impfenden Ärzte nicht zurückgreifen, weil die Impfstoffe abweichend vom Arzneimittelgesetz ausnahmsweise ohne Kennzeichnung und Packungsbeilage ausgeliefert werden duften.
Vor diesem Hintergrund haben Gesundheitsbehörden, impfende Ärzte und nicht zuletzt auch viele Medien eine Sicherheit der mRNA-Impfstoffe ausgesprochen, die sie mit den wenigen vorliegenden Informationen gar nicht beurteilen konnten. Eine ausreichende Impfaufklärung durch den Arzt ist erst dann erfolgt, wenn der Arzt konkret auf sein Unwissen über Nutzen und Risiken der mRNA-Impfstoffe innerhalb einer bedingten Zulassung hingewiesen und der Patient daraufhin auf eine weitere Aufklärung verzichtet hat. Oder anders formuliert, wenn der Arzt den Patienten nicht darauf hingewiesen hat, dass er ihn wegen fehlender Informationen schlichtweg nicht vollständig aufklären kann, war die Einwilligung des Patienten ungültig und die Verabreichung der Impfung rechtswidrig.
Quellen:
Neue Juristische Wochenschrift: Ärztliche Aufklärung bei Behandlungen mit bedingt zugelassenen mRNA-Impfarzneien, 31-2023, 27.07.2023