Geltungsbereich Masernschutzgesetz nach Schulart

Anmerkung: dieser Beitrag ist bereits älter und enthält veraltete Informationen. Die Übergangsfrist/ Nachweisfrist ist nach Verlängerung am 31.07.2022 abgelaufen. Lesen Sie zum Ablauf der Übergangsfrist auch diesen Beitrag. Die Verfassungsbeschwerden waren leider erfolglos, lesen Sie auch die Beiträge dazu.

Gilt der Masernimpfzwang auch für berufliche Schulen?

Bei uns häufen sich die Beschwerden, dass Schüler ohne Masernnachweis in Bayern von Berufsschulen ausgeschlossen werden. Diese Vorgehensweise ist jedoch in der Regel vom Gesetz her nicht gedeckt, weshalb wir hier über die Rechte der Schüler umfassend aufklären.

Ganz zu Beginn weisen wir darauf hin, dass die Nachweispflicht für das kommende Schuljahr ausschließlich für Neuaufnahmen gilt. Schüler, die 2019/2020 bereits eine Berufsschule besuchen, haben eine bis zum 31.12.2021 verlängerte Nachweispflicht. Auch diese gesetzliche Regelung scheint nicht allen Schulen bekannt zu sein.

Im Infektionsschutzgesetz (geändert durch das Masernschutzgesetz) ist definiert: „Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, in denen überwiegend minderjährige Personen betreut werden.“

Schulen, in denen mindestens die Hälfte der Schüler volljährig sind, fallen folglich nicht in den Geltungsbereich des Masernschutzgesetzes. Für den Schulbesuch an diesen Schulen ist ein Nachweis (Masernimpfungen oder Masernimmunität oder Kontraindikation) nicht nötig.

Aus der aktuellen amtlichen bayerischen Schulstatistik ist die Altersstruktur der Schüler ersichtlich:

Anteil der Minderjährigen in beruflichen Schulen im Schuljahr 2018/2019 (bayerischer Durchschnitt)

Berufsschulen31,59%
Berufsfachschulen42,82%
Berufsfachschulen des Gesundheitswesens11,46%
Fachschulen0,29%
Fachoberschulen52,93%
Berufsoberschulen0,80%
Fachakademien2,02%
Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung41,80%
Wirtschaftsschulen90,95%

Da in den bayerischen Berufsschulen im Schnitt weniger als ein Drittel der Schüler minderjährig sind, fallen Berufsschulen in der Regel nicht in den Geltungsbereich des Gesetzes. Falls eine Berufsschule das Gegenteil behauptet, muss diese dem Schüler gegenüber den konkreten Beweis erbringen (z.B. durch Offenlegung der Altersstruktur der Schüler des vorangegangenen oder aktuellen Schuljahres).

Welche Auswirkungen es für den Schüler hat, ob die berufliche Schule in den Geltungsbereich des Masernschutzgesetzes fällt, hängt davon ab, ob der Schüler noch schulpflichtig ist oder nicht. Bei Schulpflicht muss der Schüler auch ohne Nachweis aufgenommen werden.

Schulpflicht und berufliche Schulen

Die Schulpflicht beträgt in Bayern 12 Jahre und besteht aus der Vollzeitschulpflicht und der Berufsschulpflicht. Sie endet vorzeitig mit dem Erwerb des mittleren Schulabschlusses (mittlere Reife).

Der Besuch von Berufsschulen nach der Mittelschule (ehemals Hauptschule) dient somit in der Regel der Erfüllung der Schulpflicht. Dem Schüler kann die Aufnahme schon aus diesem Grund nicht verwehrt werden. Falls die Berufsschule ausnahmsweise innerhalb des Geltungsbereichs des Masernschutzgesetzes liegt (überwiegend minderjährige Schüler), kann das Fehlen des Nachweises (Masernimpfungen oder Masernimmunität oder Kontraindikation) jedoch ein Bußgeld nach sich ziehen.

Bei Fachoberschulen, die in Bayern gerne von Realschülern zur Erlangung des (Fach-)Abiturs genutzt werden, sieht die Sachlage etwas ungünstiger aus. Hier waren in Bayern im Schnitt etwas mehr als Hälfte der Schüler minderjährig. Dennoch ist es empfehlenswert von der Schule im konkreten Fall einen Beweis zu verlangen, dass an dieser Fachoberschule die Mehrheit der Schüler minderjährig ist.

Besonders hart trifft es in Bayern Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss (mittlere Reife). Für sie wäre nämlich die Ausbildung mit einem Schlag zu Ende (ohne Masernachweis), da für sie keine Schulpflicht mehr besteht. Sie könnten weder eine Lehre (Ausbildung in der Regel dual mit Berufsschule) machen noch das Fachabitur an einer Fachoberschule. In diesen Fällen lohnt es sich ganz besonders für seine Rechte einzustehen! In Bayern ist beispielsweise ein Studium auch über den Weg Realschule, Berufsschule, Berufsoberschule mit Fachabitur möglich.

Die massenhafte Ablehnung von Schülern ohne Masernnachweis durch Berufsschulen rührt offensichtlich aus einer nicht vom Gesetz gedeckten Empfehlung des bayerischen Kultusministeriums (Informationen und Empfehlungen zur Umsetzung des Masernschutzgesetzes) her, wonach Berufsschulen angeblich grundsätzlich in den Geltungsbereich des Masernschutzgesetzes fallen. Wie wir oben belegen konnten, ist diese Sicht nicht durch das Gesetz gedeckt, da im Schnitt weniger als ein Drittel der Berufsschüler minderjährig sind und die Berufsschulen damit in der Regel gar nicht in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen.

Der „bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband“ übertrifft mit seiner eigenwilligen Auslegung des Masernschutzgesetzes jedoch sogar noch das Kultusministerium und erklärt die Ausbildung für Schüler ohne Masernnachweis nach der 9. Klasse für beendet und schränkt die gesetzliche vorgesehene Ausnahme willkürlich auf die Vollzeitschulpflicht ein.

Aufgrund der falschen Empfehlung des bayerischen Kultusministeriums häufen sich bei uns die Anfragen aus Bayern. Aus Zeitgründen haben wir keine Recherche über möglicherweise ähnliche Sachverhalte (nicht vom Gesetz gedeckte Empfehlungen der Kultusministerien, Regelungen zur Schulpflicht) in anderen Bundesländern durchgeführt, sind jedoch um Hinweise in ähnlichen Fällen dankbar. Betroffene, die trotz der obigen Empfehlungen ihr Recht auf Schulbesuch nicht durchsetzen können, obwohl sie einen Anspruch darauf haben, können sich gerne an den Verein mit der Bitte um Unterstützung wenden.